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Der Gesang der Vogelspinne

Object type:Installation (Bildwerk)
Artist:
Zint, Manuel
Date:2004
Measures:Gesamt: Höhe: 195 cm; Breite: 50 cm; Tiefe: 50 cm
Material:Glas
Metall (4 Wave-Shift-Analyzer)
Holz
Installation mit Klang und Text: Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass sich der Begriff „Vogelspinne“ (Avicularia) auf die erste Darstellung dieser Tiere im europäischen Raum durch Maria Sybilla Merian um 1700 zurückführen lässt. In ihren Kupferstichen zeigte die Künstlerin und Naturforscherin diverse große Spinnen, die Kolibris erbeutet haben und diese nun verspeisen.
Allerdings beschreibt Merian in den Aufzeichnungen ihrer Beobachtungen in Surinam, dass sich diese Spinnen in der Hauptsache von großen Blattschneiderameisen ernähren und räumt ein, dass sie die Darstellung der Vögel hauptsächlich als Farbkontrast und Größenvergleich beigefügt hat. Und wegen der Tatsache, dass die Eingeborenen ihr diese Spinnen als „Vogel-Spinne“ erklärt haben. Der Ursprung des Namens ist daher in den Kulturen von Völkern zu suchen, in deren Umgebung solche Spinnen zu finden sind. Hier zeigt sich, dass die Indianerstämme Süd- und Mittelamerikas von einer Spinne sprechen, die „singt wie ein Vogel“. War die Darstellung Merians nur die Folge eines Übersetzungs-fehlers? Im Kulturschatz des asiatischen Raums lassen sich viele Märchen nachweisen, in denen Spinnen „leise, aber wunderschön“ singen und auch aus dem afrikanischen Raum sind entsprechende Legenden und Volksmärchen bekannt, die auch teilweise ins Europäische transferiert wurden (beispielsweise durch den Kinderbuchautor Dahl, der seine Militärzeit in Tanganjika verbrachte).

Bislang sind jedoch sämtliche Versuche, den Gesängen durch Verstärkung oder Aufnahmen im Ultraschallbereich auf die Spur zu kommen, gescheitert. Zwar weiß man, dass viele Vogelspinnenarten die Möglichkeit besitzen, durch Borsten und Dornen an ihrem Körper (sogenannte Stridulationsorgane) zischende Geräusche zu produzieren, die man mit bloßem Ohr gut hören kann. Diese Geräusche dienen dem Paarungsverhalten oder als Abwehrreaktion, sind jedoch von der Vorstellung eines Gesangs weit entfernt.
Die physiologische und anatomische Betrachtung von Vogelspinnen gibt uns einen ersten Hinweis auf die Möglichkeit, Töne zu produzieren. So besitzt jede Vogelspinne vier unabhängig voneinander arbeitende Fächerlungen, die jeweils eine eigene direkte Atemöffnung haben. Entgegen der landläufigen Annahme, es handele sich hierbei um passive Lungen wie bei labidognathen Spinnen und Insekten, sind diese aktiv. Das heißt, sie atmen tatsächlich ein und aus. Durch erst kürzlich entdeckte Stimmlabiale sind die Vogelspinnen anscheinend in der Lage, die strömende Luft zu regulieren. Dabei kann jede Lunge wohl nur zwei unterschiedliche Klänge produzieren, nämlich einen beim Einatmen und einen anderen beim Ausatmen. Entspannt die Spinne diese Stimmlippen, wird kein Klang erzeugt und lautlos geatmet. Wenngleich alle vier Lungen rhythmisch aneinandergekoppelt zu sein scheinen, sodass sie immer nur gleichzeitig zu atmen
imstande sind, ist es durchaus möglich, dass die eine Lunge einatmet, während ihre Nachbarin ausatmet. Jede Lunge ist scheinbar auf ein Tonpärchen „gestimmt“ und die Spinne kann acht unterschiedliche Töne produzieren – davon vier gleichzeitig.



Die phasenverschobene Vierwellen-Analyse
(4wave-shift-analysing)

Jede der vier Lungen wird von einem eigenen Mikrofon abgenommen, das auf die jeweilige Hauptfrequenz getuned ist. Dabei handelt es sich um sogenannte „blinde Frequenzen“, die vom menschlichen Gehör aufgrund ihrer Welleneigenschaften nicht wahrgenommen werden können. Diese vier Signale (Wellen) werden kreuzgefiltert, bevor sie dann überlagert werden. Durch diese Mehrfachüberlagerungen der Phasen ist es jetzt gelungen, eine Wellenform zu schaffen, die vom Ohr wieder verarbeitet werden kann. Es handelt sich bei diesem Verfahren also nicht um eine reine Verstärkung oder Transmodulation von Ultraschallwellen! Leider können auch bei dieser Form der Tonabnahme die Umweltgeräusche und andere Störgeräusche nicht herausgefiltert werden. Ungeklärt bleibt bislang die Frage, ob und auf welche Weise einige Menschen in der Lage gewesen sind, den Spinnengesang ohne diese technische Neuentwicklung wahrzunehmen. (Der computergenerierte „Gesang“ einer Vogelspinne wird – vom Betrachter unbemerkt – den Umweltgeräuschen des Ausstellungsraumes beigemischt und kann über Kopfhörer erfahren werden. Dabei kann man die Spinne beobachten, die angeblich den Klang erzeugt. Texte „informieren“ den Betrachter über ethnologische, biologische und technische Zusammenhänge.)

Literature:
  • Eikermann, Silke: terra incognita. Die Sammlung Manuel Zint, 300, Brunsbüttel 2014. (Seite: 29-32; 69)

Inventory Number: 2015-13

Image rights: Stadtgalerie im Elbeforum Brunsbüttel


Iconographie:     Tiere