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Handbüchlein |
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Auf den ersten Blick bewirkt dieses 96-seitige handliche Büchlein beim heutigen Leser, dem der Lauf der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert vertraut ist, zunächst eines: Irritation. Die Begriffe "Lachen" und "Arbeitslager" möchten in der Kombination keinen Sinn ergeben, muten geradezu zynisch an. Doch von Zynismus ist dieses Buch ebenso weit entfernt, wie von Ironie. Kernintention dieses Werkes ist vielmehr die Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie über Humor bzw. über das, was von Seiten der NSDAP unter gesundem Humor verstanden wird. Der Autor Alfred Rother-Carlowitz ist Pressereferent im Arbeitsgau XII - Oberschlesien des sog. Deutschen Arbeitsdienstes, der ab dem 26.06.1935 aufgrund eines eigens von der Reichsregierung unter Adolf Hitler verabschiedeten Gesetzes in den Reichsarbeitsdienst (RAD) umgewandelt wird. Das Büchlein ist somit in die erste Jahreshälfte 1935 zu datieren, wobei auf dem Titelblatt bereits das Symbol des RAD, ein Spaten mit Hakenkreuz, der von zwei Ähren flankiert wird, abgedruckt ist. Der Reichsarbeitsdienst, an sich keine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern an einem in Bulgarien erprobten Modell orientiert und in der Nachfolge des von der Regierung Brüning 1931 eingeführten sog. Freiwilligen Arbeitsdienstes entwickelt, dient angesichts der grassierenden Massenarbeitslosigkeit sowohl als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als auch der weltanschaulichen Erziehung junger Erwachsener zu ideologiekonformen "Volksgenossen". So sind ab 1935 alle jungen Männer zwischen 18 und 25 Jahren zu einem 6-monatigen Dienst im RAD verpflichtet. Für Frauen ist der Dienst zunächst freiwillig, ab dem Beginn des II. Weltkriegs allerdings ebenfalls zwingend. In Schleswig-Holstein ist das schwerpunktmäßige Betätigungsfeld des RAD die symbolträchtige Neulandgewinnung an der Westküste, die bereits im August 1935 mit der Einweihung des Adolf-Hitler-Koogs einen ersten propagandistischen Höhepunkt findet. Als Pressereferent eines Arbeitsgaus ist Rother-Carlowitz für die innere und äußere Wahrnehmung des RAD zuständig. In diesem Sinne ist auch dieses Taschenbuch zu verstehen, das sich demonstrativ an die dienstverpflichteten jungen Männer wendet, die in ihren Arbeitspausen in diesem Buch Muße und Aufmunterung finden sollen. Durch die Verbreitung von heiteren Anekdoten, die aus dem Lageralltag zusammengetragen sein sollen, und des in ihnen vermeintlich geäußerten typischen "Arbeitsdienst-Humors" soll letztlich das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den "Arbeitsmännern" im Sinne des NS-Volksgemeinschaftsgedankens gestärkt werden. Die knappen Erzählungen selbst erscheinen zunächst eher harmlos, doch sollen sie bewusst ein volkstümlich anmutendes, vermeintlich arteigenes, von Klassenlosigkeit und Kameradschaftlichkeit getragenes, betont männliches Humor- und schließlich Gesellschaftsverständnis vermitteln. Dies wird bereits in der Vorrede des Autors deutlich, der seine adoleszenten Leser stets in heiter väterlichem Ton duzt: "Stellt euch einmal 200 junge, frische und gesunde Männer im Lager vor! Was da für Unsinn gemacht wird, was da für Späße ausgeheckt werde! Kerngesund und urwüchsig wie das Leben der deutschen Jugend im Lager ist ihr Humor. Das unverfälschte Lachen der Jungen kennt weder ausgeklügelte Witze noch bittere Ironie oder bissige Satire, [ ] dieses Lachen ist der Ausdruck des überschäumenden Lebensgefühls, der Freude am Dasein schlechthin. Es ist derber und männlicher Humor, wie er durch die Kameradschaft vom einfachen Leben innerhalb der sozialistischen Lagergemeinschaft geboren wird. Keine 'Teigware - leicht gefärbt', sondern Kommißbrot!" An diesen Äußerungen ist auffällig, dass zur Umschreibung des Ideals einer deutschen Jugend und eines jugendlichen Lebensgefühls gezielt Begrifflichkeiten aus der NS-Rassenhygienelehre gewählt werden, die einen festen Platz in der ideologischen Erziehungsarbeit in den RAD-Lagern einnimmt. Im Schlussappell ruft Rother-Carlowitz seine Leser schließlich dazu auf, ihm weitere heitere Geschichten aus dem Lagerleben aller Arbeitsgaue zu schicken - in dem vorliegenden Buch dominieren Erzählungen aus dem schlesischen Raum -, um damit einen Nachfolgeband zu füllen: "Und nebenbei werden wir dabei die Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der deutschen Stämme, die im Witz zum Ausdruck kommen, kennen lernen." Humor begreift Rother-Carlowitz also nicht nur als einigendes Band zwischen den jungen, am Spaten Dienst leistenden "Arbeitsmännern", sondern - ganz einem völkischen Verständnis geschuldet - als Ausdruck deutscher Stammesart. Über die Publikation einer Fortsetzung dieses Büchleins ist nichts bekannt. Der Autor tritt in den Folgejahren durch weitere Bücher vaterländischen Inhalts in Erscheinung. Nach dem II. Weltkrieg wird das Buch "Lachen im Arbeitslager" auf einer öffentlichen Liste der sog. "Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone" als "auszusondernde Literatur" geführt, womit 1946 ein Beitrag zur Entnazifizierung des Bibliothekwesens und des Buchhandels geleistet werden soll. Literatur:
Inventarnummer: 2008VK631 Signatur: Stempel (Titelseite: Gerhard Appel) Signatur: Stempel (Rückseite der Titelseite: Gerhard Appel) Signatur: Stempel (Rückseite der Titelseite: ex libris) Abbildungsrechte: Freilichtmuseum Molfsee - Landesmuseum für Volkskunde |
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