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Objektbezeichnung:Objekt
Sachgruppe:Dreidimensionale Bildwerke
Künstler:
Rheinsberg, Raffael
Datierung:1972
Maße:H: 80 cm, B: 80 cm, T: 9 cm
Material:Backstein
Spiegelglas
Holz
Technik:Objektkunst
Der Spurensucher Raffael Rheinsberg (geboren 1943 in Kiel, verstorben 2016 in Forst, Hunsrück) sah in jedem Gegenstand eine Seele, "lebendige Spuren des Vergangenen". So bildeten Fundstücke, aus der Gebrauchs- und Warenwelt schmählich entlassene Gegenstände und Materialien, die Konstante seines künstlerischen Schaffens. Anfangs eher zufällig aufgefunden und ganz im Geiste der Dadaisten zu assoziations- und beziehungsreichen Sinnzusammenhängen zusammengefügt, systematisierte Rheinsberg seine Arbeit mit den Fundstücken nach und nach. Er gelangte zur Untersuchung ortsspezifischer Gesamtsituationen und entwickelte eine strengere Formsprache, indem er thematisch gleichartige Gegenstände konsequent reihte und in geordneten Feldern präsentierte. Ausgehend vom Gebrauchsgegenstand setzte sich Rheinsberg stets mit der konkreten Wirklichkeit auseinander und bezog Stellung zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Als Materiallager, Wohnung und Atelier diente ihm ein "friedlich besetztes" Abbruchhaus im Kieler Sophienblatt 22/24. Rheinsberg baute es zunächst zum "Laboratorium", später zum "Museum der Dinge" aus, bis es 1983 endgültig abgerissen wurde. 1988, als Raffael Rheinsberg bereits seit neun Jahren in Berlin lebte und arbeitete, eröffnete im Nachfolgebau die Stadtgalerie Kiel mit einer Retrospektive des Künstlers, deren zentrales Werk die "Koffermauer - Klagemauer" war.

Das unbetitelte Objekt entstand 1972, als sich die Studentenbewegung bereits radikalisiert hatte, und ist sowohl Ausdruck als auch Aufruf zum politischen Protest. Die künstlerischen Mittel sind simpel: Ein quadratischer Spiegel, gerahmt in Holz, ist mittig von einem Pflasterstein getroffen; ausgehend von der Einschlagstelle zerbricht das Spiegelglas sternförmig und eine dahinterliegende schwarz-rot-goldene Fahne kommt zum Vorschein. Durch seine Spiegelung wird der Betrachter selbst Teil des Kunstwerkes, vielleicht wird er selbst zum Werfenden? Rheinsberg formuliert keine konkrete politische Aussage, aber seine Aufforderung zur Revolte, mit der er sich unmittelbar an den Betrachter wendet, ist eindeutig. Die inhaltlichen Bezüge seines Objektes sind vielfältig; das Aufbegehren gegen überkommene gesellschaftliche Strukturen oder Kontinuitäten der NS-Diktatur in der Bundesrepublik mögen assoziiert werden. Rheinsbergs Arbeit steht am Anfang einer intensiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und ist noch sichtlich von der Agitprop-Kunst Hans Peter Alvermanns beeinflusst.

(Jessica Wieczorek)

Literatur:
  • Kulturamt der Landeshauptstadt Kiel (Hrsg.): MALOCHE. Anlässlich der Ausstellung "Über den musealen Raum hinaus - Zitate aus der Realität 1975 - 1988", Juni - August in der Stadtgalerie im Sophienhof Kiel, Kiel: Künstlerhaus Kiel e.V. 1988
  • Landeshauptstadt Kiel (Hrsg.) / Stadtgalerie Kiel (Hrsg.): Raffael Rheinsberg. New York Post. Anlässlich der Ausstellung "Raffael Rheinsberg. Was war Was kommt Was bleibt", 9. November 2002 - 26. Januar 2003, Berlin: Vice Versa 2002
  • Rönnau, Jens: Wertewandel im Werk von Raffael Rheinsberg. Die Herausbildung seiner Arbeitsweise in Kiel und ausgesuchte Werke der folgenden 30 Jahre. Anlässlich der Ausstellung Raffael Rheinsberg / Lilli Engel "Schöne neue Welt - Die Zukunft hat begonnen", Flandernbunker und Technische Marineschule, Kiel, 2. August - 20- Oktober 2013, Petersberg: Imhof 2013

Inventarnummer: 6133

Signatur: signiert (o. Holzrahmen: Raffael Rheinsberg)

Fotograf: Ehlert, Sönke

Abbildungsrechte: Stadtgalerie Kiel