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Alexa II |
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Am 7. Dezember 1990 hielt Carsten Höller in Eckernförde anlässlich der Eröffnung seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie NEMO einen Vortrag mit dem Titel: Die Entwicklung des Menschen in Vergangenheit und Zukunft. Die Einladung in Form eines DinA3 großen Plakates zeigte auf der Vorderseite das Foto Alexa II zusammen mit den Veranstaltungsdaten. Die junge Frau auf dem Foto war dieselbe, die schon 1988 auf dem Plakat zu Höllers erster Ausstellung zu sehen war, ein Bild, das demnach als Alexa I zu gelten hat. Das Modell auf den beiden Bildern stammt aus Höllers Freundeskreis, eine junge Frau, die den Betrachter freundlich anblickt. Auf dem Bild von 1988 posiert Alexa mit einer Schwimmweste vor einem Meereshintergrund, an dessen Horizont weiße Segel leuchten. Auf der Einladung heißt es, zur Ausstellung werde an Stelle eines Katalogs ein Kleidungsstück zum Schutz gefährdeter Personen angeboten. Tatsächlich erschien damals eine Multiple in Form einer vom Künstler signierten Faltschachtel, die ein Ready-Made, nämlich eine Warnweste, enthielt. In der Ausstellung war eine Installation zu sehen, bei der neun dieser Warnwesten auf Drahtbügeln in Reihe neben der Schwimmweste von dem Alexa-Foto hingen. Carsten Höller selbst verkaufte in einem in Kiel angemieteten Ladenlokal eben diese Warnwesten. Dabei wendete er sich bisweilen mit persönlicher Ansprache an die Vorübergehenden. Jeder Passant galt ihm als potentiell gefährdete Person, die er mit ausgesuchter Höflichkeit vom Nutzen der Warnweste zu überzeugen versuchte. Das zuvorkommende Auftreten und die Freundlichkeit waren Teil eines ästhetischen Experiments, das sich der Methoden des modernen Marketings bediente. Carsten Höller und Alexa, sein Alter Ego, waren Teil einer Versuchsanordnung, die den Beweis erbrachte, dass der Erfolg eines Angebots weniger auf dem geldwerten Nutzen des Produkts als auf dem Auftreten, der Überzeugungskraft und dem Charme des Verkäufers beruht. Diesbezüglich waren Carsten Höllers überteuerte Verkäufe Marketingerfolge. Sie sind aber auch als schöne Kunst anzusehen, weil die Warnweste ein ästhetisch signifikantes Produkt ist, das den Träger als Person auszeichnet, die sich ihrer Gefährdung bewusst geworden ist. Eigentlich ist Höllers Aktion deswegen Kunst, weil sie diejenigen, die sein Angebot annehmen, nicht nur als Käufer, sondern auch als Stigmatisierte zurücklässt. 1990 erschien Alexa II, dargestellt von derselben Person, mit dem gleichen Lächeln auf einer Fotografie Carsten Höllers. Dies geschah nicht nur in Form eines Plakats sondern auch als grafisches Kunstwerk, das in limitierter Auflage ohne den Eindruck der Ausstellungsdaten herausgegeben wurde. Man kann Alexa auch hier wieder als Verkaufsagentin Carsten Höllers betrachten. Ihr Auftreten inmitten von Verkaufsregalen ist hierfür ein deutlicher Hinweis. Es ist Vorweihnachtszeit, die Regale sind voller Spielzeug und Alexa hält eine Kerze in der Hand. Höller hatte in der Ausstellung, für die das Plakat mit Alexa warb, einen Raum als Kinderzimmer eingerichtet. Im seiner Mitte stand eine mit einem weißen Gymnastikdress bekleidete Schaufensterpuppe, die dem Besucher eine Hand entgegenstreckte, aus der ein ausgestopftes Entenküken hervorschaute. Im Raum verteilt befanden sich mehrere Objekte, nämlich ein Säuglingsjäckchen, dessen Knöpfe das Wort Zukunft ergaben, ein Paar weiße Kindergummistiefel, die bis zum Rand mit Schokolade gefüllt waren, ein Kinderwagen auf völlig überhöhten Stelzen, eine Puppe, die vollständig mit Heftpflaster verklebt war und zwei Kinderschuhe, die Höller vorher so lange vergraben hatte, bis sie verrottet waren. Die Situation war für die Besucher gleichermaßen anziehend, rätselhaft und verstörend. Diese Wirkung beruhte zu einem erheblichen Teil darauf, dass der Besucher zunächst von dem weiß gekleideten Mädchen angezogen wurde und erst in der Folge die Fragwürdigkeit der Situation bemerkte. Höller hatte 1990 außer der Alexa auf dem Plakat und der Schaufensterpuppe im Kinderzimmer schon vorher weiß gekleidete Mädchen als Lockvögel benutzt. Bei einem internationalen Skulpturenprojekt in der finnischen Stadt Kotka inszenierte er eine mehrwöchige Aktion, die darin bestand, dass zwei blonde und gut aussehende Mädchen in weißem Dress mit einem weißen Volvo durch die Stadt fuhren. Von Zeit zu Zeit hielten sie an, stiegen aus und verteilten aus einem Bauchladen kleine quadratische Schokoladenstückchen, die in weißes Papier eingewickelt waren. Auf dem Volvo und der Schokoladenbanderole stand aufgedruckt das Wort Future. In der Beschriftung wird explizit deutlich, worum es bei dieser Aktion ebenso wie bei dem Kinderzimmer und der Grafik Alexa II geht, nämlich um die Verführung zum Nachdenken über Zukunft. Die Verführerinnen erscheinen mit gleichsam engelhafter Unschuld. Sie sind hübsch und treten völlig unaufdringlich auf. Ebenso schlicht ist der Text, mit dem Carsten Höller damals sein Projekt vorstellte: Die Mädchen verteilen ein Werbegeschenk, das den Empfänger auf die Zukunft aufmerksam machen soll. De facto ist die Aktion genauso konzipiert wie das Verteilen von Gratisproben bestimmter Zigarettenmarken. Es handelt sich um eine gebräuchliche, verständliche Werbeaktion für die Zukunft. Die Schokolade ist dabei einerseits Lockmittel, andererseits aber auch selbst Informationsträger durch ihren metaphorischen Wert. Sie deutet Süße und Vergänglichkeit an. Norbert Weber Inventarnummer: 33caho Signatur: Gegenständlich
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