Die Beine des toten Leibes Christi werden emporgetragen, während sein Rumpf mit nach hinten abknickendem Haupt herabsackt. Lediglich vier Putten sind damit beschäftigt, ihn zu tragen. Dabei driften sie nach links, wo eine puttenbesetzte Lichtschneise den Blick zu einer Aureole öffnet, in der Gottvater mit zur Kreuzfigur ausgebreiteten Armen sitzt. Vor ihm fliegen die Taube des Heiligen Geistes und eine Schar Putten, ihnen voran einer, der die empfangende Geste Gottes wiederholt. Dieser Darstellung liegt eine Vision der heiligen Birgitta zugrunde. Nicht hoheitsvolle Engel bieten den Leib Christi in der ?Engelpietà? zur Betrachtung dar. Baldung hat mit der Bildtradition gebrochen, indem er das Christusbild aus der Gruppe der Trinität herauslöst und es in denkbar unhierarchischer Weise von kleinen Putten präsentieren lässt. Baldung zeigt nicht den hoheitsvollen, triumphierenden Gott, sondern den geschlagenen Menschen. Ein auf einer Wolke sitzender Putto hält die große Dornenkrone Christi hoch über dessen Haupt und Oberkörper. Durch diese Position etwa auf der horizontalen Mittellinie des Blattes erhält die Dornenkrone als zu den Arma Christi gehörenden Zeichen besonderes Gewicht. Der Leib Christi ist in einer extremen Drehung und Verzerrung dargestellt, die in der christlichen Bildkunst schwerlich ihresgleichen findet. Der bekümmerte Ausdruck der Putten verrät mitfühlende Trauer. Die Wundmale des geschundenen Körpers Christi und die Dornenkrone versprechen den Menschen Erlösung angesichts des sich vor der göttlichen Lichtaureole öffnenden Wolkenkranzes.
(nach Melanie Kahl / Renate Voß, in: Ausst.-Kat. Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kunsthalle zu Kiel 2004, S. 146)

Literatur:

• Kuder, Ulrich / Bärbel Manitz / Walter Sparn: Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kiel, 2004

Inventarnummer: A.B. 77

Signatur: bezeichnet (u. l.: H B G)

Ikonographie:

Passion Christi