Zur letzten Objektsuche | Zum Album hinzufügen | ||
|
|||
Antonius-Altar |
|||
Die Antoniusbruderschaft ist durch umfangreiches Quellenmaterial belegt: Fundations- , Statuten- und Rechnungsbücher, Nachrichten über Grundstücks- und Rentenerwerbungen, Mitglieder- und Präbendenlisten vermitteln ein umfassendes Bild der Korporation. Die Mitglieder gehörten zur gehobenen Gesellschaftsschicht der Stadt, es waren die wohlhabenden Kaufleute, die oft wichtige Positionen im Rat innehatten. Handwerker und Geistliche waren ausgeschlossen. 1436 wurde der formelle Verbrüderungsvertrag mit den Dominikanern in der Burgkirche geschlossen. Im Mittelpunkt der karitativen Tätigkeit der Bruderschaft stand die Armenpflege. Einnahmen aus Kapitalanlagen wurden für die wöchentlichen Pröven oder Präbenden (1) benutzt; in der sogenannten Prövenbude auf dem Marienkirchhof wurden ausgewählte Bedürftige versorgt. 1520 gab die Bruderschaft den Auftrag für einen neuen Altar, der innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt wurde. Die Rechnungen mit ausführlichen Angaben über die verschiedenen Handwerker sind noch heute vorhanden: Tischler, Schmied, Maler und Bildschnitzer erhielten insgesamt 310 Mark lübisch. Die Antoniusbrüder widmeten ihrem Namenspatron das gesamte Altarprogramm. Im Zentrum des Mittelschreins steht die überlebensgroße Figur des heiligen Eremiten in Pilgerkleidung, mit Glocke und T-Stab, in den sich ein Teufel verbeißt; vermutlich hielt Antonius in seiner Linken eine Paternosterschnur(Gebetsschnur). Ihm, dem Schutzpatron der Pestkranken, sind zwei weitere Pestheilige zugeordnet, die rechts und links auf durchbrochenen Balustersäulen stehen: Rochus mit dem Engel, der auf seine Pestwunde weist, und Sebastian mit Pfeil und Bogen. Das Marterinstrument des Sebastian wird mit den Pestpfeilen gleichgesetzt, die Gott in seinem Zorn auf die Menschen herabschleudert, denn die Pest wurde als Strafe für die Sündhaftigkeit des Menschen betrachtet. Ungewöhnlich für einen Lübecker Altar sind die gemalten Flügel der Festtagsseite. Sie zeigen Szenen aus der Vita des Heiligen, wie sie in der Legenda aurea ausgemalt wird. Die Versuchung des Hl. Antonius ist ein beliebtes Thema in der sakralen Kunst des Mittelalters, denn einerseits soll die Standhaftigkeit des Heiligen Vorbild sein, zum anderen bietet das Thema die reizvolle Möglichkeit der phantastischen Darstellung der Welt des Bösen. Auf der oberen linken Tafel fallen böse Geister in bizarrer Gestalt über ihn her und zerren ihn an Gewand und Haaren. In der Szene darunter hat sich der Teufel in eine verführerische Frau gewandelt; der Pferdefuß, der unter dem Gewand hervorschaut, deutet auf das Böse, das sich hinter dem schönen Schein verbirgt. Der Verlockung des Anblicks und dem angebotenen Goldpokal setzt der Heilige das Kreuzeszeichen entgegen. Dem Betrachter werden durch zwei häßliche alte Frauengestalten, deren Gesichter von der Syphilis entstellt sind, die Folgen der Wollust vor Augen geführt. Die Interpretation der drei zierlichen nackten Jungfrauen, die im Hintergrund im Wasser stehen, ist nicht eindeutig: sie können ein Symbol der Keuschheit oder der Reinigung von der Sünde sein, zumal die erste ein kleines Kreuz an ihrem reichen Halsschmuck trägt. Andererseits ist nicht auszuschließen, daß ihre Nacktheit ebenfalls den Heiligen versuchen soll. Beide Szenen zeigen in der Komposition Ähnlichkeiten mit bekannten Vorbildern: Die Versuchung durch die Dämonen erinnert an Matthias Grünewalds Isenheimer Altar in Colmar; der Verführung des Heiligen durch die Frau liegt offenbar Lucas van Leydens Stich mit demselben Thema von 1509 zugrunde. Auf der rechten oberen Tafel kniet der Heilige im Gebet vor Christus, der, von einer Glorie umstrahlt, am Himmel erscheint. Der abgeschlossene Klosterbereich hinter dem Haupt des Antonius symbolisiert das kontemplative Leben im Dienste Gottes. Dem werden die Fährnisse und Versuchungen der Welt gegenübergesetzt: Dämonen und groteske Fabelwesen lauern im Verborgenen und locken mit Prunkpokalen und Gold. Sie symbolisieren Wollust, Reichtum, Korruption, Begierde und erinnern an die phantastische Bilderwelt des Hieronymus Bosch (um 1450 - 1526), die nicht immer zu entschlüsseln ist. Am Ufer des Gewässers im Hintergrund zieht - kaum erkennbar - als Verkörperung der weltlichen Macht ein waffenklirrendes Heer heran. Die untere Szene verbildlicht eine Lehre, wie sie in der Legende des Heiligen formuliert ist. Ein Bogenschütze nimmt Anstoß an fröhlich tafelnden Mönchen. Antonius setzt seiner Kritik die Aufforderung entgegen, seinen Bogen zu spannen. Nachdem er ihn dreimal angehalten hat, die Spannung zu verstärken, weigert sich der Schütze, da der Bogen brechen könnte. Antonius erläutert ihm darauf, daß so auch der Dienst an Gott den Menschen zerbräche, wenn er zu streng durchgeführt werde. Die Außenseiten der Flügel zeigen Großfiguren von Christus und Antonius. In der Komposition ist die Darstellung noch der Tradition verhaftet, beide Gestalten stehen auf einem bunt gefliesten Boden vor einer brokatbehangenen Mauerbrüstung. Hinter ihr öffnet sich der Blick in eine weit in die Tiefe führende "Weltlandschaft" mit aufsteigenden Felswänden, Wegen, die in den Hintergrund führen, Burgen und Gewässern. Eingefügt sind kleine Genreszenen und hinter Antonius die Klause, in die er sich zurückzog, um sein Leben dem Dienste Gottes zu weihen. Christus als Weltenherrscher setzt seinen Fuß auf den gläsernen Erdball. In der Kristallkugel, die vom Kreuz überhöht ist, spiegeln sich Tag- und Nachthimmel, Land und Meer, Gebirge und Täler und wiederum ein Heer. Alles ist der Herrschaft Christi unterworfen. Abweichend von der Darstellung des Mittelschreines ist Antonius hier ein Schwein mit einer Glocke im Ohr zur Seite gestellt. Dies Attribut ist nicht auf die Vita des Heiligen zurückzuführen, sondern zeugt von dem Privileg des im 11. Jahrhundert gegründeten Antoniusordens (Hospitaliter vom Hl. Antonius), in der Stadt die Schweine frei herumlaufen zu lassen, um sie von Straßenabfällen zu ernähren. Traditionsgemäß werden Glocke und Schwein dem Heiligen zugeordnet. Das hohe, schmale Format des Altars konzentriert den Blick des Betrachters auf die hoch aufragende Figur des Eremiten Antonius, eine qualitätvolle Schnitzarbeit Benedikt Dreyers, und die kostbaren Tafelbilder des Hans von Köln. Die Gestalt des Antonius mit der Figur des Teufels ist aus einem Stück gearbeitet. Der flache Altarschrein läßt nur eine geringe Tiefe der Figuren zu. Die Furchung und die Dynamik des Faltenwurfs erzeugen aber durch Licht- und Schattenspiel die Illusion von raumgreifendem Körpervolumen. Hans von Köln orientiert sich an der niederländischen Malerei, die in spätmittelalterlicher Zeit den höchsten Rang in Nordeuropa einnahm. Die Gestaltung des Hintergrundes weist auf Einflüsse Joachim Patiniers hin, der als erster die Landschaftsmalerei als eigene Gattung zu Beginn des 16. Jahrhunderts zur Blüte führte. Die Qualität der Malerei des Hans von Köln wird deutlich in der subtilen Farbigkeit und der differenzierten Wiedergabe der Stofflichkeit. 1 Ausgabe von Lebensmitteln und kleinen Geldbeträgen Heise/Vogeler 1993, Kat. Nr. 22 Inventarnummer: 1 Signatur: Inschrift (Sockel Hl. Antonius: SANCTVS . ANTONIVS) Signatur: Inschrift (Nimbus Hl. Antonius: [SANCTVS] A[NTO]NIVS OR[A PRO NOBIS]) Abbildungsrechte: St. Annen-Museum
|
Name des Museums
Titel des Bildes
Titel des Bildes