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Die heftige Fingerübermalung des als Photocollage auf den Bildträger aufgebrachten Antlitzes Christi mit kräftigen roten, gelben, blauen und schwarzen Farben mag zunächst blasphemisch anmuten. Diese ist jedoch innerhalb des Oeuvres von Arnulf Rainer von schlüssiger Konsequenz. Denn ein solches Werk beinhaltet letztlich - jenseits theologischer Auslegungen - ein Thema, das die menschliche Existenz betrifft: "Die großformatigen Fotos erhielten ein weißes Umfeld, das "Innenraum" werden sollte, ein Kampffeld für Blut, Tränen und Ironie, von dem aus mit dem Gegenstand gesprochen (gesungen und gekämpft) werden konnte. Das Aufziehen der Fotos, ihre Plazierung hatte aufschiebenden Charakter, setzte bewußt ästhetische Normen der Komposition. Es sind verzögernde Spiele mit der eigenen Angst, eine Art Käfig für das "Tier", das durch die Gitterstäbe wild gemacht werden soll."1 Der wilde Farbauftrag tritt einem aggressiv entgegen. Es scheint, als ob das zugrundeliegende Bildnis zerstört, ausgemerzt werden solle. Aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Erst durch das Verdecken, durch das Unsichtbarmachen wird eine Störung erzeugt, die das Christusphoto im übertragenen Sinn erst wieder richtig sichtbar zu machen imstande ist. Der Bewußtseinsgrad des Betrachters wird gesteigert. Nun erst, im Anblick des Bildes, das das - verdeckte - Bildnis des toten Christus inkorporiert, wird offenbar, daß wir es hier mit dem Thema des Todes, gegen den sich die wilde Malerei aufzulehnen scheint, zu tun haben. Dem toten Antlitz stellt sich die lebensvolle Malerei gleichsam auflehnend entgegen. Zugleich ist sie aber auch eine Auseinandersetzung mit der mittelalterlich-expressiven Vorlage: "Das ist Kunst auf Kunst, auf Kunstphoto, auf Karton. Für mich stehen die mehr im Zusammenhang einer Auseinandersetzung mit der Kunst des Mittelalters, dem Leidensexpressiven auf vielen Kreuzen. Natürlich können rotgelbe Farbdominanzen mit Recht andere Assoziationsketten auslösen."2 Hieraus entwickelt sich die hochgradige, bildimmanente Spannung. Da der tausendfach reproduzierte Anblick des Gekreuzigten heute kaum noch jemanden wirklich emotional zu erschüttern vermag, ist seine vitalistische Übermalung, bzw. seine Verdeckung nur folgerichtig. Denn erst durch ein solches Vorgehen kommt das eigentliche Anliegen einer derartigen Darstellung zur Geltung. Der künstlerische Schock und die uns wie ein Aufschrei entgegentretende Malerei schärfen das Bewußtsein für die Bedingtheit jedweder Existenz. Rainer folgt dabei einem dialektischen Prinzip, bei dem uns die ekstatische Malerei und das Kontemplative zugleich entgegentreten. Diese Dialektik schafft ein Sensorium für Leben und Tod jenseits der Kirche. Insofern begegnet man in einem solchen Werk einer "Contradictio in objecto", einem Widerspruch in sich: nämlich dem Verhüllen, um letztlich (eine geistig-existentielle Dimension jenseits der Begrifflichkeiten) aufzudecken: "Rainer beabsichtigt mit seiner Malerei zu enthüllen als Ersatz für die mangelnde und verlorengegangene metaphysische Bindung (in deren Sein es weder Handeln noch Missionen, noch Beweise, noch Künste gibt), sie zu enthüllen als bloße Verbindung zwischen dem Ästhetischen und Metaphysischen."3 Th. R. 1 Konrad Schmidt, "Christus - Frauen -Tote" - Arnulf Rainer, Fingermalereien 1982-84, in: Ausst. Kat. Fingermalereien, Christus - Frauen -Tote (1982-1984), Galerie m Bochum/Galerie Nordenhake Malmö, Bochum 1984, S. AR 33 2 Arnulf Rainer, in: Ausst. Kat. Arnulf Rainer - Christusbilder, Galerie Heike Curtze, Düsseldorf/Wien, 1986, o. Seitenangabe 3 Thorsten Rodiek, Annäherungsversuch, in: Ausst. Kat. Arnulf Rainer, Kunsthalle Dominikanerkirche, Osnabrück/Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, Bramsche 1993, S.31 Literatur:
Inventarnummer: 1999-81 Signatur: signiert und datiert (u.r.: A. Rainer 83) Abbildungsrechte: Kunsthalle St. Annen
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