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Thomasaltar |
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Die Bruderschaft der Brauersknechte, seit 1406 in Lübeck nachweisbar, gehört zu den Handwerkervereinigungen. Gesellen oder Handwerksknechte waren nicht der geistlichen Bruderschaft ihrer Meister angeschlossen, sie gründeten eigene Verbände, die oftmals in Krankheits- und Unglücksfällen ihre Mitglieder finanziell unterstützten. In diese Kasse zahlten auch die Meister der Ämter regelmäßig Beträge. So übernahmen die Gesellenvereinigungen die Aufgabe einer "Sozialversicherung". Diese Funktion hatte meist einen höheren Stellenwert als die religiösen Zielsetzungen. Die Wahl des Thomas von Aquin zum Hauptpatron des Altares geht wohl nicht auf die Initiative der Brauersknechte zurück, da in der Vita des Heiligen keinerlei Bezug zu ihrem Gewerbe zu finden ist. Vermutlich haben die Dominikaner, bei denen die Brauersknechte domiziliert waren, starken Einfluß auf die Wahl der Patrone und das Bildprogramm genommen, denn im Mittelpunkt der Darstellung stehen die bedeutendsten Dominikanerheiligen. Die Festtagsseite zeigt kein einheitliches Bildprogramm, sondern setzt sich aus zwei verschiedenen Themenbereichen zusammen: aus Szenen der Mariengeschichte und Darstellungen der Ordensheiligen und Altarpatrone. Die Zugehörigkeit einzelner Szenen und Figuren wurde erst durch Max Hasse erkannt und die Anordnung rekonstruiert. Im zweigeteilten Mittelschrein ist im oberen Feld die Heilige Sippe zu sehen, hier erweitert um die Schwesterlinie der Hl. Anna (s. Heilige Sippe). Die drei Szenen auf dem linken Seitenflügel und auf dem oberen Feld des rechten knüpfen an die Zentralgestalten des Sippenbildes, Anna und Maria, an. Diese drei Szenen sind in gleicher Weise aufgebaut: im Vordergrund das Hauptmotiv, im Hintergrund, sehr klein, Handlungen, die zeitlich vorausgehen oder folgen. Die Szenenfolge beginnt mit der Verkündigung an Maria; zugeordnet werden hier Mariae Geburt und der Tempelgang. Das untere Feld des linken Seitenflügels zeigt die Begegnung Annas und Joachims an der Goldenen Pforte, ein Symbol für das göttliche Eingreifen bei der Empfängnis Mariae, die so von Anfang an frei von Sünde ist. Die Szene wird erläutert durch die Verkündigung an Anna und Joachim, die getrennt von einander im Haus und auf dem Feld die Botschaft des Engels empfangen. Rechts oben ist der Besuch der Maria bei Elisabeth (Heimsuchung) zu sehen. Die Geburt Johannes des Täufers, des Sohnes der Elisabeth, ist in den Hintergrund gesetzt. Die weibliche Figur zwischen den Szenen ist möglicherweise eine Dienerin, die das Gepäck Mariens trägt. Das untere Feld des Mittelschreins nehmen die Patrone des Altares ein. Der Hauptpatron, Thomas von Aquin, steht vor einem Lesepult; er trägt die Tracht der Dominikaner und die Cappa der Gelehrten. Ihm werden die gleichnamigen Heiligen, der Apostel Thomas und Thomas Becket von Canterbury, zur Seite gestellt. Das untere Relief des rechten Seitenflügels zeigt neben Maria Magdalena im Haarkleid, der Schutzheiligen der Burgkirche, Katharina von Siena, die als weltliches Mitglied dem Dominikanerorden angehörte und durch ihre Visionen und ihre Kirchenpolitik großen Einfluß besaß. Die Szene der Predella ist dem Apostel Thomas gewidmet. Nach der Auferstehung des Herrn legt er die Hand in die Seitenwunde Christi. Von der zweiten Ansicht ist nur die Malerei der beiden mittleren Tafeln erhalten. Die Thematik stellt ausschließlich den Dominikaner Thomas von Aquin, einen der bedeutendsten Theologen des Mittelalters, in den Mittelpunkt. Auch hier wird er in der Ordenstracht der Dominikaner dargestellt, die Taube der göttlichen Inspiration sitzt ihm auf der Schulter. Auf der oberen Tafel links vertreibt der Heilige mit einem brennenden Holzscheit eine Frau, die seine Brüder in die Zelle eingelassen haben, um ihn in Versuchung zu führen. In der Hintergrundszene sieht man ihn versunken in das Gebet um ewige Keuschheit. Diese Darstellung beruht auf einer biographischen Aussage und auf einer Textstelle des Lübecker Passionaels. In der Szene darunter beobachtet der Küster Dominikus den Hl. Thomas, der sich während des Gebets vor dem Altar vom Boden erhebt. Diese legendäre Erzählung, die im Lübecker Passionael von 1492 berichtet wird, soll die tiefe Gläubigkeit des Thomas von Aquin bezeugen. Die Tafeln des rechten Flügels zeugen dagegen von dem Studium und den wissenschaftlichen Werken des Heiligen; die wissenschaftliche Tätigkeit ist in der Dominikanerregel verankert. Die obere Darstellung zeigt Thomas von Aquin im Kreis der Studierenden bei Albertus Magnus, der in Köln die erste Ordenshochschule der Dominikaner errichtet hat. In der unteren Szene überreicht Thomas dem Papst Urban IV. seine "Kommentare zu den vier Evangelien". Die äußeren Flügel der zweiten Ansicht galten lange als verschollen. 1952 entdeckte man eine der Tafeln im Kunsthandel, sie gehörte ursprünglich in das untere Feld des rechten Seitenflügels; heute ist sie links des Altars als Einzelbild aufgehängt. Dargestellt ist die Vision Alberts von Brescia, eines Schülers des Thomas von Aquin. In einem Kirchenraum erscheinen vor seinen Augen einträchtig der große Kirchenlehrer Augustinus (+ 430) und Thomas von Aquin (+1274) und demonstrieren so sinnfällig Widerspruchsfreiheit und Übereinstimmung ihrer so unterschiedlichen theologischen Entwürfe unter dem einen Dach der katholischen Kirche. Als Hintergrund können wir den Vorwurf vermuten, Thomas habe sich durch die Rezeption aristotelischen Gedankenguts von der augustinisch geprägten Theologie entfernt, die die Kirche damals vertrat. So diente die Tafel vielleicht dazu, kritische Einwände gegen die Dominikaner abzuwehren. Die Strahlensterne, die Albert von Brescia in dieser Vision auf dem Mantel und vor der Brust des Heiligen leuchten sah, werden ihm als Attbribut zugeordnet. Die Flügel des vollständig geschlossenen Altars zeigten in der Mitte einzelne große Heiligenfiguren; erhalten sind nur noch die beiden äußeren Standflügel, die heute aus Platzgründen in Raum XII (Kapitelsaal) aufgehängt sind. Die qualitätvolle Malerei von Erhart Altdorfer, die typische Merkmale der Donauschule aufweist und im norddeutschen Raum ungewöhnlich ist, zeigt den Hl. Christophorus und den Hl. Michael als Seelenwäger. Er wägt die guten und die schlechten Taten gegeneinander ab. Die menschlichen Tugenden sind durch die kleine Seelengestalt personifiziert. Sie wiegt schwerer als die Laster, die durch Mühlsteine symbolisiert werden. Vergeblich versucht der Teufel, die Waagschale zu beschweren. Der Altar der Brauersknechte ist reich ausgestattet. Er zeigt eine Vielzahl von Figuren und feines Maßwerk . Vergoldete Ornamentstreifen mit eingefügten Prophetenmedaillons trennen als Flachreliefs die Tafelmalerei in einzelne Szenen. Das Wappen der Brauersknechte auf dem rechten Rand der Predella - ein Mann, der ein Joch mit Bierfässern auf den Schultern trägt - ist eine Ergänzung des 17. Jahrhunderts. Heise/Vogeler 1993, Kat. Nr. 10 Literatur:
Inventarnummer: 16 Signatur: Inschrift (Schriftband, Verkündigung an Maria: Ave Maria gratia plena [...]) Abbildungsrechte: St. Annen-Museum
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