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Maria Magdalenen-Altar |
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Um 1519 stifteten die Schneidergesellen zu Ehren der Maria Magdalena für ihre Bruderschaft einen Altar in der Burgkirche, der am zweiten Nordpfeiler des Langhauses aufgestellt wurde. Auf der rechten Seite der Predella weist eine geöffnete Schere auf die berufliche Tätigkeit der Bruderschaftsmitglieder hin. Die Schneidergesellen unterhielten den Schrein bis zum 18. Jahrhundert und ließen ihn um 1700 noch einmal in Stand setzen. Die Wahl der Maria Magdalena als Schutzpatronin der Schneider mag auf ihre Darstellung in auffallend kostbaren Gewändern zurückzuführen sein; nur in Lübeck ist sie als Schutzheilige dieser Berufsgruppe nachweisbar. Vor allem aber ist sie die Patronin des Lübecker Dominikanerklosters, in dem die Bruderschaft domiziliert war. So liegt der Schluß nahe, daß die Dominikaner die Schneider in der Wahl ihrer Schutzpatronin beeinflußt haben. Die Gründung des Klosters geht auf den Sieg der Lübecker Truppen über die Dänen am Maria Magdalenentag (22. Juli) des Jahres 1227 bei Bornhöved zurück. Auf den Grundmauern der geschleiften dänischen Burg wurde das Kloster errichtet und der Heiligen geweiht, die der Legende nach den Lübeckern durch direktes Eingreifen zum Siege verholfen hatte. Die Burgkirche zu Lübeck war in Norddeutschland ein frühes Zentrum der Maria-Magdalenen-Verehrung; hier befand sich auch ein bedeutender Glasfensterzyklus aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, der die Legende der Maria Magdalena in zahlreichen Szenen darstellte. Das Bildprogramm aller Ansichten des Altars ist ausschließlich der Geschichte dieser Heiligen gewidmet, deren Legende in epischer Breite erzählt wird - eine Form, wie sie sonst nur noch der Laurentius-Altar (Inv. Nr. 2) zeigt. In der Person Maria Magdalenas werden drei biblische Gestalten zusammengefaßt: Maria von Magdala aus dem Umkreis Jesu, Maria von Bethanien, Schwester der Martha und des Lazarus, und eine namenlose Sünderin (Lukas 7). Hinzu kommen legendäre Motive aus unterschiedlichen Regionen. Das einheitliche Bild der Heiligen enstand durch die Exegese der Kirchenväter und wird von Papst Gregor I. (540 - 604) erstmals eindeutig formuliert. Vom 13. Jahrhundert an wird es durch die Legenda aurea und die Predigten der Minoriten verbreitet. In der niederdeutschen Fassung des "Goldenen Legendenbuchs" (Lübecker Passionael, 1492) werden die Ereignisse der Schlacht von Bornhöved erzählt, so daß im norddeutschen Raum die Gestalt der Maria Magdalena einen starken Lübeckbezug erhielt. Der Mittelschrein verbildlicht den Kernpunkt der theologischen Aussage des Altarprogramms: Die Gestalt der Maria Magdalena als Büßerin, die von Gott erhöht wird, war dem mittelalterlichen Menschen Vorbild und Hoffnungsträger. Das Motiv entwickelte sich aus der im Orient entstandenen Legende der Maria Aegyptiaca, die die Wandlung einer Hure zur Heiligen durch langjährige Buße in der Wüste schildert. Ebenso verbringt Maria Magdalena die letzten 30 Jahre ihres Lebens büßend in der Wüste. In dieser Zeit zerfallen ihre Kleider, und Haare bedecken und schützen ihren Körper. Sie bedarf keiner weltlichen Speise, von Engeln emporgehoben, empfängt sie zu den sieben kanonischen Gebetsstunden das himmlische Mahl. Die Predella stellt eine Szene aus ihrem weltlichen Leben vor ihrer Begegnung mit Christus dar und führt somit in den Zyklus ein: Im Kreise ihrer Freier gibt sie sich der Jagdlust hin. Das Relief auf dem linken Flügel oben zeigt den Besuch Jesu im Hause Simons des Aussätzigen. Im Bewußtsein ihrer Sündhaftigkeit fällt Maria Magdalena dem Herrn zu Füßen und salbt sie. Das Salbgefäß wird daher zu ihrem Attribut. Die Erzählfolge springt auf den rechten Flügel oben über: Jesus erweckt Lazarus, den Bruder der Maria, die, wie erwähnt, mit der Maria von Magdala gleichgesetzt wird. Es folgt auf dem linken Flügel unten die Noli-me-tangere-Szene: Der Auferstandene begegnet ihr im Garten, wehrt aber ihre Berührung ab. Das Lebensende der Heiligen ist das Thema des Reliefs unten rechts: Sie wird, als sie ihren Tod nahen fühlt, von Engeln in die Kapelle des Bischofs von Aix entrückt, erhält hier das letzte Abendmahl und stirbt auf den Stufen des Altars. Die Sonntagsansicht ist nicht vollständig erhalten, es fehlen die beiden äußeren Flügel. Die vorhandenen Tafeln sind der sogenannten Meerfahrtslegende gewidmet, die in der Provence entstanden ist. Sie schildert Ereignisse aus dem Leben der Heiligen zwischen der Himmelfahrt des Herrn und ihrem Dasein als Büßerin in der Wüste. Christenfeinde setzen sie mit ihren Geschwistern und Freunden in ein steuerloses Boot, um sie dem Verderben preizugeben. Sie strandet an den Gestaden von Marseille und predigt dem heidnischen Volk und dem Fürstenpaar von Marseille, das vor einem Götzenbild um einen Sohn bittet. Der Maler fügt in die Stadt Marseille Lübecker Bauten ein - das Holstentor und die Petrikirche -, um die Geschichte der Maria Magdalena dem Gläubigen in den vertrauten Lebensraum zu rücken und ihn unmittelbar in das wunderbare Geschehen einzubinden. Auf dem Bild oben rechts bricht das Fürstenpaar aus Dankbarkeit zu den Heiligen Stätten auf, da die Fürstin schwanger geworden ist. Das nur schwach angedeutete Schiff im rechten Hintergrund weist auf die Pilgerfahrt hin. In der kleinen Szene im Hintergrund links wird die Fürstin, die während der Meerfahrt bei der Geburt des Sohnes stirbt, mit dem Säugling auf einem Eiland zurückgelassen. Da der Fürst auf seiner Rückfahrt nach zwei Jahren Mutter und Kind lebend wiederfindet, dankt er Maria Magdalena bei der Ankunft in Marseille und baut eine Kirche zu Ehren der Heiligen - dies wird allerdings in der Architekturkulisse nicht deutlich. Auf der Tafel unten links kniet Lazarus vor Maria Magdalena, die ihn vor ihrer Abfahrt nach Aix als Bischof von Marseille einsetzt. Chronologisch folgerichtig schließen sich hier die Bußszene und die der letzten Kommunion auf der Festtagsseite an. Die letzte Szene der gemalten Sonntagsseite unten rechts ist Zeugnis der engen Verbundenheit der Dominikaner mit der Hl. Maria Magdalena. Sie zeigt die Überführung ihrer Gebeine von Aix in das Dominikanerkloster von Vézelay. Die Ordensbrüder öffnen das Grab und entnehmen die Reliquien. Die Erscheinung der Maria Magdalena auf dem Altar bestärkt sie, ihre sterblichen Reste in einer feierlichen Prozession, die im Hintergrund zu sehen ist, nach Vezelay zu überführen. Der Maria Magdalenen-Altar ist vermutlich in derselben Werkstatt entstanden wie der Thomasaltar. Für die Schnitzarbeit der Festtagsansicht ist auch hier wohl der sogenannte Meister der Burgkirchenaltäre verantwortlich, dessen Werk von bodenständiger, handwerklich solider Arbeit zeugt. Auch das Maßwerk ist formal dem des Thomasaltares sehr verwandt. Die Fassung der Schnitzarbeit ist aufwendig gestaltet, so ist die angedeutete Vegetation auf dem Bodenstreifen mit Silber unterlegt und läßt schillernde Effekte entstehen. Von hoher Qualität ist die Malerei der Sonntagsansicht von Erhart Altdorfer. Sie zeigt die dynamische Kleinteiligkeit der Donauschule. Die Körper der Figuren sind voluminös, die Gewänder reich plissiert, die Stofflichkeit differenziert und in kostbarer Farbigkeit wiedergegeben. Die üppige, märchenhaft anmutende Landschaftsdarstellung besitzt eigenen starken Ausdruckswert und hat andere Lübecker Maler beeinflußt, wie die Außenseiten des Wurzel Jesse-Altares (Inv. Nr. 8) zeigen. Heise/Vogeler1993, Kat.Nr. 11 Literatur:
Inventarnummer: 18 Signatur: Inschrift (linker Flügel oben, Magdalena salbt Christus die Füße, auf dem Gewand Christi: [...] SI VIS AD VITA) Signatur: Inschrift (linker Flügel unten, auferstandene Christus, auf seinem Gewandsaum: O REX GLORIE VENV[...]) Signatur: Inschrift (rechter Flügel oben, Auferweckung des Lazarus, auf dem Gewand Christi: [NS] EGO SVM [VS]) Signatur: Inschrift (Predella,auf dem Saum der Brokatdecke des mittleren Pferdes: SANCTA MARIA MAGDALENA) Abbildungsrechte: St. Annen-Museum
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