Deutsch
Name des Museums
Titel des Bildes
Zur letzten Objektsuche Zum Album hinzufügen

Lukasaltar

Objektbezeichnung:Doppelflügelaltar
Sachgruppe:7. Altarschreine
Künstler:unbekannter Meister
Künstler:
Rode, Hermen
Ort:Lübeck
Datierung:1484
Maße:H: 174 cm (Flügel), B: 57 cm (Flügel), T: 22 cm (Flügel), H: 45 cm (Predella), B: 239 cm (Predella (oben)), B: 175 cm (Predella (unten)), H: 174 cm (Schrein), B: 115 cm (Schrein), T: 22 cm (Schrein)
Material:Eiche
Technik:geschnitzt
gefasst (Obergewänder golden, meist mit plastisch gebildeten Mustern, Gewandteile reich verziert)
Tempera
Öl (auf Kreidegrund)
Stil:Gotik
1473 wurde die Lukasbruderschaft gegründet, in der Maler, Glaser und "beldesnyder" (Bildhauer) vereinigt waren. Das Mittelalter kannte keine Unterscheidung von Künstlern und Handwerkern, so daß sowohl Anstreicher als auch Kunstmaler Mitglieder dieser Korporation waren. Sie stellte 1484 in der Katharinenkirche ihren Altar an der Westseite des ersten südlichen Mittelschiffspfeilers auf. Bereits vor der Gründung der Lukasbruderschaft hielt das Maleramt Versammlungen in der Katharinenkirche ab und kam dort zu Gottesdiensten zusammen. Mit der Wahl des Hl. Lukas als Schutzpatron schließt die Bruderschaft an eine alte Tradition in Deutschland und in den Niederlanden an. Der Legende nach war der Apostel Lukas der erste Maler des Marienbildes und somit für die Maler der erste Vertreter ihrer Kunst.

Die Szene des malenden Lukas, dem die Madonna mit dem Christuskind Modell sitzt, ist folgerichtig im Mittelschrein der Festtagsansicht dargestellt. Der Heilige mit der Kappe des Maleramtes hält die Palette in den Händen, der Pinsel ist verloren. Aus kompositorischen Gründen mußte die Leinwand wegfallen. Der Stier zur Seite des Lukas weist ihn als Evangelisten aus. Wie sehr sich die Maler den Franziskanern der Katharinenkirche verbunden fühlten, ist daran zu sehen, daß sie deren Schutzpatronin, die Hl. Katharina, in ihr Altarprogramm aufnahmen. Sie ist auf dem linken Seitenflügel mit ihren Attributen, dem Rad, dem Schwert und dem Kaiser Maxentius unter ihren Füßen, zu sehen. Wie auch sonst häufig erscheint sie in Begleitung der Hl. Barbara, die mit dem Turm und dem Märtyrerattribut des Palmenzweiges auf dem rechten Seitenflügel dargestellt ist.

Die gemalte Sonntagsansicht widmet ihre acht Bildtafeln der Person des Hl. Lukas. Ihm wird hier eine Folge von Episoden zugeordnet, die in der Legenda aurea nur punktuell überliefert ist. Diese Bildzusammenstellung dient einmal dazu, ihn als Zeugen des auferstandenen Christus und der wahren Person der Gottesmutter auszuweisen, zum anderen stellt sie die Bedeutung des Begräbniskultes heraus, dem sich die Franziskaner in besonderer Weise widmeten.
Die erste Szene zeigt Lukas, der in seiner Schreibstube sitzt und nach der Weisung der Madonna das Evangelium schreibt. In den Regalen hinter dem Pult deuten die Apothekergefäße auf seineTätigkeit als Arzt hin, der geflügelte Stier auf seine Berufung als Evangelist. Nur bei Lukas wird Maria besondere Beachtung geschenkt. Die Legenda aurea interpretiert dies so, als habe sie selbst Lukas den Text des Evangeliums diktiert. Die Taube der göttlichen Inspiration schwebt vor seiner Brust. Die traditionelle Darstellung eines Evangelisten mit Schreibpult, Buch und dem charakterisierenden Evangelistensymbol ist auf diese Weise erzählerisch erweitert. Die folgenden drei Bilder erzählen, daß Lukas dem auferstandenen Christus begegnet, ein Geschehen, von dem die Bibel nicht berichtet, wohl aber die Legenda aurea. Da vor allem Lukas das Erscheinen Christi nach seiner Auferstehung unter den Jüngern detailliert beschreibt, interpretiert das Bildprogramm die Schrift des Lukas als Augenzeugenbericht, auch wenn Kukas 1,1-4 dagegenzusprechen scheint. Das erste Bild zeigt den Gang der beiden Jünger nach Emmaus und die Begegnung mit Christus. Im Hintergrund ist das Emmausmahl zu sehen. Das Evangelium nennt nur Kleopas als einen der Jünger; das Bild interpretiert den ungenannten Gefährten als Lukas selbst. Nach dem Mahl berichten Lukas und sein Begleiter den elf Jüngern von dem Ereignis; im Anschluß daran erscheint der Auferstandene in ihrem Kreise. Drei Szenen der oberen Reihe werden Schriftbänder mit Textstellen aus dem Lukasevangelium zugeordnet.

Die untere Bildfolge ist dem Totenkult gewidmet. Der aufgebahrte Leichnam des Lukas wird eingesegnet und von Franziskanermönchen bewacht, so daß nunmehr sie es sind, die den Tod des Heiligen bezeugen. Die Seele des Verstorbenen wird durch Engel zum Himmel getragen; die Geistestaube hat sich von der sterblichen Hülle gelöst. Die folgende Tafel zeigt die Beerdigung im Bodengrab einer Kirche. Auf dem beiseite geschobenen Grabstein hat Hermen Rode den Altar datiert: "ANNO D<OMI>NI CCCCLXXXIII VE(?) IN PACE AMEN" (Im Jahre des Herrn 1484, ... in Frieden, Amen). Der Namenszug des Künstlers steht auf dem Kragen der vorderen Figur, so daß auch Hermen Rode sich gleichsam als Zeugen des Ereignisses bezeichnet. Eine feierliche Prozession begleitet die Überführung der Gebeine des Lukas, die nach einer Handschrift Basilius II. in der Apostelkirche von Konstantinopel beigesetzt werden. Das Lübeckische Wappen am Stadttor bindet das Geschehen an die heimische Umgebung, ebenso wie in der letzten Szene, der Aufstellung des Goldschreins, die Malerwappen an den Prozessionsleuchtern und auf dem Chormantelschild einen direkten Bezug zu der Bruderschaft in Lübeck herstellen. Ob unter den Prozessionsteilnehmern Bruderschaftsmitglieder selbst dargestellt und ob ihre Kopfbedeckungen Maler- oder Gelehrtenkappen sind, ist nicht gesichert, aber möglich; dann wären auch sie Zeugen der feierlichen Überführung des Heiligen. So zieht sich das Thema der Zeugenschaft wie ein Leitmotiv durch die Bildfolge.

Die Alltagsseite greift noch einmal die Heiligen der Festtagsseite auf, links Katharina und rechts Barbara, hinter der sich klein am Horizont die Türme der Stadt Lübeck erheben.

Die Predella des Altares zeigt in fünf Arkadenbögen den Schmerzensmann mit Passionswerkzeugen, umgeben von den vier Kirchenvätern Ambrosius, Gregor, Hieronymus und Augustinus. In den Zwickeln weisen Malerwappen erneut auf die Bruderschaft hin. 1662 wurde diese Tafel mit einer barocken Abdeckplatte verkleidet, die Szenen aus der Geschichte des barmherzigen Samariters zeigt (s. Rese-Altar, Inv. Nr. 1892-129). Sie wurde 1917 wieder entfernt. Ob die schlitzartigen Einschnitte in der Predellentafel, die die Malerei beschädigen, von einer Befestigung für Leuchter herrühren, ist nicht geklärt.

Die Bruderschaft verpflichtete für die Ausführung der Malereien einen ihrer Meister, Hermen Rode, der zwischen 1485 und 1504 in Lübeck urkundlich nachgewiesen werden kann. Hermen Rode und Bernt Notke sind die großen Vertreter der Lübecker Malerei ihrer Zeit, beider Werk ist aber grundsätzlich verschieden. Die Kunst Hermen Rodes ist im Gegensatz zu der drastisch realistischen Darstellungsweise Notkes eher verhalten und undramatisch. Seine Figuren, in kühlen, klaren Farben gemalt, wirken ein wenig marionettenhaft. Er verarbeitet in seinen flach modellierten Gestalten auch Einflüsse des Niederländers Dierick Bouts. Als Gegenpol zu Bernt Notke hat Hermen Rode ebenfalls die Lübeckische Malerei der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geprägt.

Heise/Vogeler 1993, Kat. Nr. 14

Literatur:
  • Hasse, Max: Lübecker Museumsführer, I Die sakralen Werke des Mittelalters, Sankt Annen-Museum, Lübeck, 1970 (1964)
  • Denkmalrat: Die Klöster (Die Bau und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, IV), Lübeck, 1928
  • Karling, S.: Medeltida träskulptur i Estland, Stockholm, Göteborg, 1946
  • Stange, Alfred: Deutsche Malerei der Gotik, VI Nordwestdeutschland in der Zeit von 1450 bis 1515, Berlin, 1954
  • Arndt, Karl: Ein Madonnenbild des Hermen Rode, in: Kunstchronik, XVII, 1964, S. 261-263
  • Hasse, Max: Lübecker Maler und Bildschnitzer um 1500, 1. Teil, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, III, 1964, S. 258-318
  • Stange, Alfred: Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, I, München, 1967
  • Hasse, Max: Bernt Notke, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, XXIV, 1970, S. 19-60
  • Wittstock, Jürgen: Kirchliche Kunst des Mittelalters und der Reformationszeit. Die Sammlung im St. Annen-Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, I (Lübecker Museumskataloge), Lübeck, 1981
  • Heise, Brigitte / Hildegard Vogeler: Die Altäre des St. Annen-Museums, Lübeck, 1993
  • Busch, Harald: Meister des Nordens. Die Altniederdeutsche Malerei 1450-1550, Hamburg, 1943 (1940)
  • Albrecht, Uwe: Corpus der mittelalterlichen Holzskulptur in Schleswig-Holstein, 1 Hansestadt Lübeck, St. Annen-Museum, Kiel: Verlag Ludwig, 2005
  • Schaefer, Karl: Führer durch das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte zu Lübeck, Lübeck, 1915
  • Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck: Meisterwerke aus acht Jahrhunderten, München, Berlin, 1989
  • Lotz, Wilhelm: Kunst-Topographie Deutschlands, 1: Norddeutschland (Statistik der deutschen Kunst des Mittelalters und des 16. Jahrhunderts. Mit specieller Angabe der Literatur, 1), Kassel, 1862
  • Milde, Carl Julius: Der St. Lukas-Altar in der St. Katharinenkirche zu Lübeck, in: Archiv für Kirchliche Kunst und Kirchenkunst, Jg. 3, Heft 4, 1878
  • Ausstellung älterer kunstgewerblicher Gegenstände in Lübeck im September 1879, Lübeck, o. J.
  • Bode, Wilhelm: Geschichte der Deutschen Plastik (Geschichte der Deutschen Kunst, 2), Berlin, 1885
  • Münzenberger, E.F.A. / S. J. St. Beissel: Zur Kenntniß und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands, 1, Frankfurt a.M., 1885-1890
  • Münzenberger, E.F.A. / S. J. St. Beissel: Zur Kenntniß und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands, 2, Frankfurt a.M., 1895-1905
  • Goldschmidt, Adolph: Lübecker Malerei und Plastik bis 1530, Lübeck: Verlag von Bernhard Nöhring, 1889
  • Goldschmidt, Adolph: Rode und Notke, zwei Lübecker Maler des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für bildende Kunst, N.F., Jg.12, 1901, S. 30-39, 55-60
  • Roosval, Johnny: Die St. Georgs-Gruppe der Stockholmer Nikolaikirche im Historischen Museum zu Stockholm, in: Jahrbuch der (Königlich) Preußischen Kunstsammlungen, 27, 1906, S. 106-117
  • Lindblom, Andreas: Nordtysk skulptur och måleri i Sverige från den senare medeltiden, Stockholm, 1916
  • Burger, Fritz / Hermann Schmitz / Ignaz Beth: Die deutsche Malerei, Teil 2, Wildpark, Potsdam, 1917
  • Bericht des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte über das Jahr 1917, in: Lübeckische Blätte, Jg. 60, Nr. 25, 1918
  • Struck, Rudolf: Beiträge zur lübeckischen Kunstgeschichte, III, in: Lübecker Forschungen, 1921, S. 303-324
  • Braun, Joseph: Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung, 2, München, 1924
  • Heise, Carl Georg: Lübecker Plastik, Bonn, 1926
  • Pinder, Wilhelm: Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance, Teil 2, Wildpark-Potsdam, 1929
  • Habicht, Victor Curt: T. Riemenschneiders Lehr- und Wanderjahre, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 14 ( N.F. der Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen), 1937, S. 1-34
  • Warncke, Johannes: Handwerk und Zünfte in Lübeck, Lübeck, 1937 (1912)
  • Roosval, Johnny: Bernt Notke i smältgrytan?, in: Konsthistorisk Tidskrift, g.10, Heft 1, 1941, S. 1-16
  • Ugglas, Carl R. af: Senmedeltida profant silversmide i Sverige, Stockholm, 1942
  • Nordman, C. A.: Medeltida skulptur i Finland, in: Schriftenreihe der Finnischen Altertumsgesellschaft Helsinki, 62, Helsinki, 1964
  • Müller, Theodor: Sculpture in the Netherlands, Germany, France and Spain 1400 to 1500, Harmondsworth, 1966
  • Lechner, Martin: Lukas, Evangelist, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 7, Freiburg, 1974
  • Gmelin, Hans Georg: Gotische Tafelmalerei in Norddeutschland, in: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur in Norddeutschland 1150-1650. Hrsg. von Cord Meckseper, 4, Braunschweig, 1985, S. 413-447
  • Boockmann, Hartmut: Die Stadt im späten Mittelalter, München, 1986
  • Tångeberg, Peter: Mittelalterliche Holzskulpturen und Altarschreine in Schweden, Stockholm, 1986
  • Vogeler, Hildegard: Madonnen in Lübeck, Lübeck, 1993
  • Kempff, Margareta: Attribueringarnas mångfald (Diss.), Stockholm, 1994

Inventarnummer: 1892-193a

Signatur: signiert (Beisetzung des hl. Lukas, auf dem Halskragen eines Mannes am Sarg des hl. Lukas: HERMEN RODE)

Signatur: datiert (Beisetzung des hl. Lukas, auf dem Grabstein in der rechten unteren Ecke: Anno d[omi]ni m cccc l xxx iiii in [...] in pace amen)

Signatur: Inschrift (Spruchband, Lukas schreibt sein Evangelium: S[an]c[tu]s lucas)

Signatur: Inschrift (Spruchband, Gang nach Emmaus: Mane nobiscum D[omi]ne n[a]m advesperascit)

Signatur: Inschrift (Spruchband, Rückkehr der Emmaus- Jünger: Surexit d[omi]n[u]s et cognaveru[n]t eum in fractione panis)

Signatur: Inschrift (Spruchband, Christus erscheint den Aposteln: Pax vobis ego sum nolite timere)

Signatur: Inschrift (auf den Seitenflächen der Predella: De NOVO RENOV. 1830)

Abbildungsrechte: St. Annen-Museum


Ikonographie:     
Lukas malt oder zeichnet die Madonna (Lukasbild)
     
Katharina von Alexandrien
     
Barbara
     
Lukas
     
Emmausgang
     
Christus erscheint den Aposteln
     
Schmerzensmann
     
Kirchenväter
     
Ambrosius
     
Gregor
     
Hieronymus
     
Ambrosius