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St. Jürgen-Gruppe

Objektbezeichnung:Skulptur
Sachgruppe:5. Figuren (Holz)
Künstler:
Heide, Henning van der
Künstler:
Willinges, Johann
Künstler:
Wittekop, Hinrik
Ort:Lübeck
Datierung:1504-1505, Drachen 1619 ersetzt
Maße:H: 18 cm (Helm), B: 18,5 cm (Helm), T: 31 cm (Helm), B: 85 cm (Jürgen mit Pferd), T: 197 cm (Jürgen mit Pferd), H: 185 cm (Jürgen mit Pferd ohne Schwert), H: 91 cm (Prinzessin), B: 53 cm (Prinzessin), T: 70 cm (Prinzessin)
Material:Eiche (vermutlich 1619 in die Brust zwischen die Vorderbeine des Pferdes ein Stück Weichholz eingesetzt; der Drache von 1619 ebenfalls aus Weichholz)
Technik:geschnitzt
gefasst (Hl. Jürgen: Waffenrock vergoldet, innen rot, Panzer versilbert mit grünen Überfassungen; Prinzessin: Kleid vergoldet, Mantelfutter blau; Pferd: Apfelschimmel, Geschirr aus Leinwand und rotem Samt mit Metallbeschlägen; Helm: versilbert mit Goldrändern)
Die St. Jürgen-Gruppe stellt nach den Bildwerken zum 1496 datierten Flügelretabel der Fronleichnamsbruderschaft (Inv.Nr. 4) das zweite archivalisch für Henning van der Heide gesicherte Schnitzwerk dar.

Im Mittelpunkt der Gruppe steht der Drachenkampf des Hl. Jürgen (vgl. Legenda aurea, S. 301-303), den bereits das in Lübeck 1492 bei Stephan Arndes gedruckte und 1499 neu verlegte "Passional oder Leben der Heiligen" beschrieb (Bruns 1913, S. 215-216).

Der Hl. Jürgen überwindet den Drachen mit gezogenem Schwert auf dem sich mit nach vorn geworfenen Vorderläufen aufbäumenden Pferd und rettet die Königstochter, die vor der Stadt Silena dem Untier geopfert werden sollte. Neben dem christlichen Ritter kniet die gekrönte Prinzessin, die, ob des noch ungewissen Ausgangs, flehentlich die Hände vor der Brust ringt. Passend zur modischen Zopffrisur trägt sie ein weit ausgeschnittenes, reich mit Bordüren und Einsetzen verziertes langes Gewand, das sich von den Beinen ab am Boden felsenartig aufstaut. Gestattet das eng anliegende Gewand am Oberkörper nur zwei parallel nach unten verlaufende Faltenstege, so formiert sich hier eine Abfolge von dekorativen Stoffumschlägen, raumgreifenden Vertiefungen und vielförmigen Faltenbildungen.

Die fragmentiert erhaltene St. Jürgen-Gruppe umfaßt nur mehr die drei großformatigen Bildwerke des Hl. Jürgen auf dem Pferd, der Prinzessin und des ersatzweise hinzugefügten Drachens. Der ursprüngliche, wesentlich größere wurmartige Drache wird auf dem Rücken liegend seine rechte Pranke zur Abwehr direkt gegen die Vorderseite des Pferdes gestemmt haben (vgl. Roosval 1924, S. 70; Vortrag Bruns 1927; Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck 4, S. 403; Paatz 1939, S. 351-352). Seine linke Pranke wird - wie der wohl etwa gleichgroße Drache in Notkes Stockholmer Darstellung - ursprünglich den Speer des Hl. Jürgen umklammert haben. Rückschlüsse auf die Position des Lübecker Drachens gestatten ikonographisch getreue, künstlerisch jedoch weit unterlegene Nachbildungen der Gruppe, die sich aus den Jahren um 1520 in Finnland erhalten haben (vgl. Nevermann 1926 und Paatz 1939 mit Hinweis auf die Gruppe aus Rustro im Schloßmuseum in Åbo [ebd., Text-Abb. VIb] oder diejenige im Nationalmuseum in Helsinki [ebd., Text-Abb. VIa]). Eingebettet war die eigentliche Kampfszene möglicherweise in eine Burglandschaft, so wie sie sich im Fall des um 1480-1490 geschaffenen Retabelreliefs mit der Darstellung des Drachenkampfs aus der St. Georgs-Kapelle des Doms im schwedischen Lund (jetzt in Lund, Domkirchenmuseum, Inv.Nr. 92) fragmentiert erhalten hat (vgl. Paatz 1939, S. 151, Nr. 67 S. 355, Abb. 173, mit der nicht überzeugenden Zuschreibung an Henning van der Heide; Liepe 1995, Nr. 151 S. 307-308, Abb. 233).

Nach Albecht 2005, Kat. Nr. 179

Literatur:
  • Milde, Carl Julius: Verzeichniss der Lübeckischen Kunstalterthümer, 1 (Inventar 1-139), Lübeck, 1855
  • Schaefer, Karl: Führer durch das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte zu Lübeck, Lübeck, 1915
  • Denkmalrat: Die Klöster (Die Bau und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, IV), Lübeck, 1928
  • Hasse, Max: Lübecker Museumsführer, I Die sakralen Werke des Mittelalters, Sankt Annen-Museum, Lübeck, 1970 (1964)
  • Wittstock, Jürgen: Kirchliche Kunst des Mittelalters und der Reformationszeit. Die Sammlung im St. Annen-Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, I (Lübecker Museumskataloge), Lübeck, 1981
  • Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck: Meisterwerke aus acht Jahrhunderten, München, Berlin, 1989
  • Albrecht, Uwe: Corpus der mittelalterlichen Holzskulptur in Schleswig-Holstein, 1 Hansestadt Lübeck, St. Annen-Museum, Kiel: Verlag Ludwig, 2005
  • Bode, Wilhelm: Geschichte der Deutschen Plastik (Geschichte der Deutschen Kunst, 2), Berlin, 1885
  • Goldschmidt, Adolph: Lübecker Malerei und Plastik bis 1530, Lübeck: Verlag von Bernhard Nöhring, 1889
  • Hach, Theodor: Die Anfänge der Renaissance in Lübeck, Lübeck, 1889
  • Bruns, Friedrich: Die St. Jürgen-Gruppe des Lübecker Museums und ihr Meister, in: Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 15, Heft 2, 1913, S. 213-227
  • Heise, Carl Georg: Zur Neu-Aufstellung der St. Jürgengruppe im St. Annen-Museum, in: Vaterstädtische Blätter, 15, 1922, S. 58-60
  • Roosval, Johnny: Nya Sankt Görans Studier, Stockholm, 1924
  • Heise, Carl Georg: Lübecker Plastik, Bonn, 1926
  • Nevermann, F. K: Kleine Nachbildungen der Lübecker St.-Jürgen-Gruppen in Finnland, in: Lübeckische Blätter, Jg. 68, Nr. 36, 1926, S. 555
  • Heise, Carl Georg: Lübeckische Plastik und Malerei, in: Lübecker Heimatbuch, Lübeck, 1926, S. 206-250
  • Paatz, Walter: Zuschreibungen an Henning v. d. Heide, in: Lübeckische Blätter, Jg.68, Nr.36, 1926, S. 553-555
  • Struck, Rudolf: Materialien zur lübeckischen Kunstgeschichte, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, XXIII, 1926, S. 207-289
  • Bericht über einen Vortrag von Friedrich Bruns, in: Lübeckische Blätter, 69, Nr.6, 1927, S. 95-96
  • Pinder, Wilhelm: Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance, Teil 2, Wildpark-Potsdam, 1929
  • Paatz, Walter: Bildschnitzer und Goldschmiede in Lübeck, in: Pantheon, 3, 1929, S. 258-262
  • Habicht, Victor Curt: Der niedersächsische Kunstkreis, Hannover, 1930
  • Eynern, Lotte von: Norddeutsche Georgsgruppen des beginnenden sechzehnten Jahrhunderts und ihr Vorbild, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 1, Heft 7, 1935, S. 453-466.
  • Roosval, Johnny: Henning von der Heyde, in: Konsthistorisk Tidskrift, Jg.5, Heft 1, 1936, S. 2-22
  • Paatz, Walter: Bernt Notke und sein Kreis (Denkmäler Deutscher Kunst), Berlin, 1939
  • Ugglas, Carl R. af: Senmedeltida profant silversmide i Sverige, Stockholm, 1942
  • Feulner, Adolf / Theodor Müller: Geschichte der deutschen Plastik (Deutsche Kunstgeschichte, 2), München, 1953
  • Norberg, Rune: Johannesfatet från Norrby, in: Fornvännen, Jg.48, 1953, S. 84-110
  • Hasse, Max: Lübecker Maler und Bildschnitzer um 1500, 1. Teil, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, III, 1964, S. 258-318
  • Nordman, C. A.: Medeltida skulptur i Finland, in: Schriftenreihe der Finnischen Altertumsgesellschaft Helsinki, 62, Helsinki, 1964
  • Müller, Theodor: Sculpture in the Netherlands, Germany, France and Spain 1400 to 1500, Harmondsworth, 1966
  • Hasse, Max: Lübecks Kunst im Mittelalter, in: Kirchliche Kunst des Mittelalters, Lübeck, 1981, S. 20-39
  • Liebmann, M. J.: Die deutsche Plastik 1350-1550, Leipzig, 1982
  • Eimer, Gerhard: Bernt Notke, Bonn, 1985

Inventarnummer: 221

Abbildungsrechte: St. Annen-Museum


Ikonographie:     
Drachenkampf des hl. Georg