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Wie ein Gedanken-Dschungel

Objektbezeichnung:Gemälde
Sachgruppe:A. Gemälde
Hersteller:
Schultze, Bernhard
Datierung:1989
Maße:H: 260 cm, B: 200 cm
Material:Leinwand
Technik:Acryl
Stil:Informel
Die Bedeutung des Malers ist unbestritten. Er war einer der ersten und ist bis heute einer der wichtigsten unter den deutschen Informellen. Seit dem Beginn des eigenen und unverwechselbaren Stils, Anfang der 50er Jahre, hat er die Kunstszene wesentlich mitbestimmt, nicht zuletzt als Mitglied der Gruppe "Quadriga" in Frankfurt, einer der folgenreichsten Künstlervereinigungen der Nachkriegszeit. Sein Werk in seiner vielgestaltigen Form hat also unsere Vorstellung von der jeweiligen Gegenwartskunst in Deutschland grundsätzlich mitgeprägt.

Dieses Werk ist ein Bild, in das einerseits die lange Erfahrung eines heute über 70jährigen eingegangen ist, und es strahlt andererseits die Aktualität unmittelbarer Gegenwart aus.

Bernard Schultze war all die Jahre seines Schaffens ein widerständiger Künstler, hochgeachtet zwar und berühmt, aber nie eigentlich populär. Das lag und liegt daran, daß er, kaum meint man ihn vereinnahmt zu haben, mit neuen Fragen an sich und seine Kunst, vor allem aber an unsere ästhetischen Wertnormen hervortritt, sich zwingend, den bisherigen Weg zu überdenken, den Betrachter mit neuen, ungewohnten Formulierungen schockierend. Das großformatige Gemälde trägt diese Merkmale auf eine zunächst versteckte Weise. Gemalt in leuchtenden Farben, strahlend in seiner Gesamterscheinung, ist es scheinbar nur ein Stück großartiger Malerei, weit über den Alltag erhoben und frei von allen Bezügen zur Gegenwart. Mit großer Sicherheit sind die wie Aquarelltöne über die Leinwand gezogenen Farbbahnen gesetzt, ein hellstes Gelb, ein hellstes Rot, ein leuchtendes Blau dominieren. Auf den ersten Blick ist alles so einfach, fast zu schön. Betrachtet man das Bild jedoch genauer, wird diese scheinbare Selbstverständlichkeit in Frage gestellt. Da ist zunächst das künstlerische Angehen. Wie füllt ein Maler ein so großes Format ohne Zuhilfenahme von Inhalt so, daß nirgends eine leere Stelle ist ? Es gehört dazu eine enorme Kraft, eine Komposition aus millimetergroßen, feinen Strichen (die wie Ausfaserungen entschiedener Farbbahnen wirken) aufzubauen und gleichzeitig einen durchgehenden Rhythmus zu erreichen, Spannungen zu erzeugen und Lösungen, Ballungen und Lockerungen. Bevor der Eindruck jener Schwerelosigkeit, die das Bild vermittelt, zu erreichen ist, muß alle Konzentration aufgewendet werden, den Details wie dem Ganzen Kraft zu geben. Bevor ein Bild so sehr von den Schlacken der Bemühung gereinigt werden kann, muß es wieder und wieder geistig erhitzt und geformt werden. Von Selbstverständlichkeit also keine Rede. Dies alles verlangt der Maler zu sehen und nachzuspüren dem Betrachter ab. Er verlangt von ihm eine geistige Auseinandersetzung mit dem scheinbar Leichten. Da hat es ein Maler, der seine Bilder voller Probleme steckt, die des Augenblicks und uns bekannt sind, viel einfacher. Schultze ist kein Esoteriker, doch wird er nur wenige finden, die ihm bei dem "freien Spiel des Geistes" folgen. Insofern wird er nicht populär werden, wie vollendete Kunst nie populär werden kann.2
G. G.

2 Dieser Text von Dr. Gerhard Gerkens wurde für diesen Katalog gegenüber dem ursprünglichen unter Auslassung der tagesaktuellen Bezüge leicht gekürzt und modifiziert. Thorsten Rodiek

Literatur:
  • Rodiek, Thorsten / Brigitte Heise / Gerhard Gerkens / Hildegard Vogeler / Ulrich Pietsch / Susanne Peters-Schildgen: Geschenkt - Gestiftet - Gekauft, Hamburg: ConferencePoint Verlag, 2003

Inventarnummer: 1990-143

Signatur: bezeichnet (u.r.: Bernard/Schulze/89)


Ikonographie:     
Abstrakte, ungegenständliche Kunst